Du wirst älter. Ich auch. Was ist daran eigentlich wirklich gut? Ist daran irgendwas gut? Ja, ist es. (Hier hab ich auch über das Erwachsensein gebloggt.) Wenn wir älter werden verändert sich mehr als nur unser Bindegewebe und Hautzustand: wir werden wählerisch, und zwar in jeder Beziehung:
- Wir ernähren uns bewusster.
- Wir vermeiden nach Möglichkeit Zeitverschwendung.
- Wir verbringen mehr Zeit mit Freunden und Dingen die uns wichtig sind.
- Wir verbringen weniger Zeit mit uninteressanten Dingen und Menschen.
- Wir tragen Kleidung die uns wirklich gefällt und machen nicht mehr jede Mode mit.
- Wir lernen immer noch dazu, aber bewusster und zielgerichteter.
- Wir haben vielleicht eine „Bucket list“ mit Dingen, die wir in diesem Leben noch tun wollen.
- Wir „machen nicht mehr jeden Scheiß mit“.
- Wir denken darüber nach, was wir in der Welt hinterlassen werden (damit meine ich nicht nur unseren Müll).
- Wir begreifen, dass unser Leben endlich ist.
- Wir umgeben uns mit dem, was uns gefällt.
- Wir müssen nicht mehr jedes Buch zu Ende lesen, nicht jeden Film zu Ende sehen.
- Wir sind ungeduldiger mit Dummheit, Unsinn, Verschwendung, Selbstgerechtigkeit etc. etc.
- Wir sind geduldiger mit unserem Körper, wehmütig und nachsichtig.
Ein gut entwickeltes Unterscheidungsvermögen ist wohl ein Zeichen des Erwachsenseins.
Der Baum der Erkenntnis stand schon immer da, irgendwann haben wir von seinen Früchten gegessen, und damit hat sich unsere Weltsicht verändert. Wir erkennen jetzt, was für uns gut ist und was nicht. (Mehr darüber, dass Wahrheit immer subjektiv ist, hier.) Und wir nehmen uns das Recht, uns entsprechend wählerisch zu verhalten. Damit werden wir ungeduldiger mit allen Dingen, die in unseren Augen überflüssig sind. Auf diese Art gewinnen wir nicht nur Freunde, sondern lassen auch Menschen aus unserem Leben gehen, die schlichtweg andere Prioritäten haben als wir. Diese Entscheidungen sind selten gegen jemanden gerichtet, mit dem uns gemeinsame Erinnerungen verbinden, den wir uns irgendwann einmal ausgesucht haben, sondern in der Regel sind es Entscheidungen für uns (die im Zweifelsfall auch den anderen von einer unbefriedigenden Situation erlöst). Wir sind alt genug, um uns selbst zu kennen, und um unsere eigenen Entscheidungen zu fällen.
Wir wollen unsere Zeit und unsere Energie, deren Endlichkeit uns bewusst geworden ist, mit den Dingen und Menschen füllen, die uns wichtig sind.
Denn nur wenn wir dafür sorgen, dass es uns gut geht, sind wir auch stark und handlungsfähig genug, um in der Welt etwas Sinnvolles zu bewirken. Du erinnerst Dich ans Flugzeug: „Im Falle eines Druckverlustes fallen automatisch Sauerstoffmasken aus der Kabinendecke. In diesem Fall ziehen Sie bitte eine der Masken zu sich heran und setzen sie so auf. Danach assistieren Sie bitte mitreisenden Kindern und hilfsbedürftigen Personen.“ Diese Reihenfolge ist im Sinne der Gemeinschaft wie im Sinne des Einzelnen. Um unsere Arbeit gutzumachen und vielleicht sogar etwas in der Welt zu hinterlassen, dessen Bedeutung über unser eigenes Leben hinausgeht, müssen wir dafür sorgen, dass wir selbst stark und gesund sind.
Wählerisch zu sein ist also nicht kapriziös, sondern sehr erwachsen.
Problematisch wird das nur, wenn die Weltsicht beschränkt ist: wenn das große Ganze nicht berücksichtigt wird, sondern ausschließlich der eigene Vorteil im Fokus ist. Wer aber einen weiten geistigen Horizont hat, wird sowohl die globale Situation als auch seine direkten Mitmenschen im Bewusstsein haben, also seine Entscheidungen immer auch unter ethischen und moralischen Gesichtspunkten treffen. Was ja niemanden daran hindert, lieber bequeme Kleidung zu tragen oder ein gutes Buch zu lesen, wenn es ihm besser gefällt als die Alternativen. Alles eine Frage der Größenordnung.
Wenn wir älter werden, gibt es nicht weniger Konflikte in unserem Leben, aber andere.
Als wir jung waren ging es darum, herauszufinden was wir wirklich wollen, was in unserer persönlichen Welt gut oder böse ist, wo unsere eigenen Stärken und Schwächen liegen und was wir mit dem Leben anfangen wollen. Konflikte fanden überall dort statt, wo wir uns in irgendeiner Form in unserer potentiellen Entfaltung behindert oder durch die von anderen gemachten Regeln eingeschränkt sahen. Wir wollten die Welt und unsere Wahrheit selbst entdecken.
Inzwischen haben wir Urteilsvermögen entwickelt, viele Regeln als sinnvoll erkannt, unsere Stärken und Schwächen ausgelebt oder zumindest gefunden, und sind wählerisch geworden. Wir haben uns ein eigenes Bild von der Welt gemacht. Konflikte finden jetzt immer noch dort statt, wo wir uns in unserer Entfaltung tatsächlich eingeschränkt sehen, kritisiert werden oder Erwartungshaltungen aufeinanderprallen. Aber auch dort, wo Dinge unseren Werten zuwiderlaufen.
Wir haben unsere Wahrheit gefunden, und sind jetzt bereit, für sie zu kämpfen.
Dabei geschieht es oft, dass in einem Konflikt beide Seiten von ihrer Wahrheit überzeugt sind, beide Recht haben, auf subjektive Art. Da mag es keine objektive Entscheidung über Gut und Böse geben, und so bleibt oft nur die erwachsene Art der Konfliktlösung für solche Fälle: wir sind uns einig, dass wir uns nicht einigen werden, und lassen das so stehen.
Zum Glück geht mit der Entwicklung der persönlichen Maßstäbe in der Regel auch das Verständnis für die individuellen Unterschiede zwischen uns Menschen einher. Wo nicht, wäre es – ganz objektiv – zu begrüßen, wenn dieses Verständnis, und damit eine gehörige Gelassenheit im Umgang mit anderen entwickelt würde.
Denn Altwerden macht nur Spaß, wenn man sowohl wählerisch als auch gelassen wird. Sonst ist es einfach zu anstrengend.
Herzlichst, wo immer Du gerade bist und was immer Du gerade denkst,
P.S.: Der Artikel hier ist für Dich, Eva!
P.P.S.: Und natürlich auch für Dich! Und nicht vergessen: Blog Geburtstag und Gewinnspiel!
Love this Johanna!! I read with Google Chrome translation ;-) Thanks for following my new blog endeavour, I also want to follow your blog but cannot find the ‚button‘ to click… Sending lot’s of Love and positive vibes from Holland :-)
Thank you!
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As I have to find a new theme anyways, I think in the future the sidebar is going to be always open, at least in the desktop version.
All the best!