Meine Katze fehlt mir. Sonst lag sie da immer, oft ganz entspannt, manchmal mit zuckender Schwanzspitze. Bei Telefonaten kam sie immer angelaufen, egal wo her, und wollte entweder mitsprechen oder von meiner freien Hand gekrault werden. Wenn sie nicht auf meinem Arbeitstisch lag, auf dem kleinen Stück Teppich, dann oft auf einem der Stühle oder auch in der Sonne vor der Balkontür. An heißen Tagen flach ausgestreckt auf dem Boden, an anderen auch mal in die Gardine gekuschelt. Wenn ich von irgendeiner Besorgung nach Hause kam, hat sie mich begrüßt. Falls ich frecher Weise den ganzen Tag fort gewesen war, rannte sie mir laut schimpfend entgegen.
Meine Katze fehlt mir. Sie fehlt mir nicht nur abends auf dem Sofa, wenn meine Hände leer und tatenlos bleiben, sie fehlt mir auch tagsüber bei der Arbeit.
Ungestört zu telefonieren fühlt sich einfach falsch an. Ungestört einen Text zu diktieren, ohne dass dazwischen Dinge wie „Nein das ist mein Tee lass Deine Pfoten da weg nein runter da“ im Text stehen, fühlt sich falsch an. Zwischendurch eine Tasse Tee zu kochen, ohne angebettelt zu werden ist sehr seltsam, genauso seltsam wie die Kleiderschranktür offenstehen zu lassen, weil ohnehin keine Katze hineinklettert.
Meine Katze fehlt mir. Natürlich war sie eine Freigängerin, eine wilde Katze, die auf ihren eigenen Wegen unterwegs war.
Eine Katze, die in den ersten drei Wochen die gesamte Mäusepopulation in ihrem Revier ausgerottet hat. Sie war eine Katze, die die Nachbarskatzen auf der Terrasse verjagte, aber im Garten mürrisch tolerierte. Sie war eine Katze, die sich von den Nachbarn füttern ließ, wenn wir im Urlaub waren, aber sie forderte auch nachdrücklich die Streicheleinheiten ein, von denen sie ganz sicher war, dass sie ihr zustünden.
Meine Katze fehlt mir. 17 Jahre lang war sie da, wie soll ich mich dann in zweieinhalb Wochen an ihre Abwesenheit gewöhnt haben?
In den 17 Jahren hat sie einiges kaputt gemacht, oft Wasser verschüttet auf Papiere oder empfindliches Holz. Sie hat in den ersten Jahren, als wir noch am Wald wohnten, regelmäßig lebendige Mäuse ins Haus geschleppt, um meinen beiden Kindern beizubringen wie man Mäuse fängt. Keiner meiner Töchter hat je gelernt, so gut Mäuse zu fangen, dass Leila zufrieden gewesen wäre. Als sie größer wurden, und offenbar weniger Mäuse zur Verfügung standen, hat sie wohl aufgegeben. Darüber war ich froh, aber käme sie jetzt mit einer lebendigen Maus in mein Zimmer gerannt – ich würde nicht schimpfen.
Meine Katze fehlt mir. Obwohl es schön ist, dass ich beim Essen gestört werden kann, und ans Telefon gehen, ohne dass jemand anders mein Joghurt für mich aufisst.
Obwohl es einfacher ist geschäftliche Telefonate zu führen ohne dass sie versucht den Hörer zu markieren. Obwohl es schön ist, spontan länger fort bleiben zu können, ohne dass jemand Hunger leidet, der seine Dosen nicht selber aufkommt. Obwohl ich es genieße, ein schwarzes Kleidungsstück tragen zu können, ohne in Bruchteilen von Sekunden von oben bis unten mit weißen Haaren bedeckt zu sein.
Meine Katze fehlt mir. Das macht mich traurig und deshalb heute keine klugen Gedanken von mir.
Keine Katze da, die mich aufheitert und so lange beschnurrt, bis ich aufgebe und merke, wie meine Mundwinkel sich nach oben schieben… Auch wenn ich weiß, dass das nur ein vorübergehender Zustand ist, fühlt es sich gerade sehr bleiern an. Die große Intensität des hochsensiblen Fühlens ist eben eine Gabe und ein Fluch, je nach Situation.
Herzlichst, wo immer Du gerade bist,
P.S.: Kennst Du diese Situation? Wie bist Du damit umgegangen?
Liebe Johanna,
mein tiefes Mitgefühl für den Verlust deiner Leila! Es fehlt einfach ein Stück aus dem Herzen ….
Und wie ich das kenne … ich habe drei kätzische Familienmitglieder verloren, eines hat mich das halbe Leben lang begleitet, eines nur wenige Monate, aber ihr Tod hat mich jedesmal tief getroffen und ich habe sie so vermißt, lange Zeit und intensiv.
Alle diese Schmusefellchen waren und sind eigene Persönlichkeiten und wer sich auf sie einläßt, wird mit Liebe und Akzeptanz belohnt. Umso schwerer ist ihr Nicht-mehr-da-sein. Hochsensible Menschen trifft das wohl noch mehr. Die Trauer dauert, teils jahrelang. Die Liebe bleibt.
Ich wünsche dir, daß bald ein neues Fellchen in dein Leben tritt und Leilas Erbe annimmt: ein warmes Plätzchen, einen gefüllten Napf und ein liebendes Herz.
Schnurrige Grüße,
Angharad
Danke Dir, liebe Angharad,
und wie sehr freu ich mich, Dich zu lesen!
Du hast ja gesehen, dass wir schon Neuzugänge haben… es macht es leichter. Dennoch wird Leila, meine Gefährtin, immer Teil meiner Geschichte sein.
Umarmung,
Johanna
Ich bin gerade wieder auf diesen Eintrag gestoßen und sehe das Datum – zwei Monate später, am 03.01.20, mußte ich meinen vierten kätzischen Gefährten gehen lassen. Er war alt und nierenkrank, und kurz nach obigem Posting verschlechterte sich sein Zustand zunehmend.
Ich habe ein Jahr gebraucht, um über seinen Verlust einigermaßen hinweg zu kommen. Mit einer richtigen Krise rund um den Todestag … er fehlt immer noch, aber jetzt ist es leichter.
Vergessen werden sie nie, unsere felligen Freunde.
Umarmung,
Angharad
Das stimmt, liebe Angharad!
Und dennoch, wenn man alles in allem betrachtet, beschenken sie uns mit so viel Freude und Vergnügen, dass der Verlust mehr als aufgewogen wird. Oder nicht? (Auch wenn gerade eben die Tierärztin unsere Scotty verarzten musste, und ich mir immer noch Sorgen mache, wegen Verletzungen die untypisch sind, und der Sorge, ob innerlich auch alles in Ordnung ist…)
In Wellen fehlen uns unsere Lieben, Zweibeiner, Vierbeiner… und doch lässt etwas Kirschen blühen im April!
Auch Dir eine feste Umarmung,
Johanna