Was heißt hier erwachsen? Damit meine ich nicht, wie lange Deine Geburt her ist, ob Du wahlberechtigt bist oder geschäftsfähig. Fühlst Du Dich erwachsen? Und ist dein Selbstbild das einer erwachsenen Person?
Bist Du nach Deiner eigenen Definition erwachsen?
Letztendlich ist das Alter laut Ausweis, die gesamte rechtliche Seite unseres Älterwerdens nicht so relevant für den Alltag. Klar, das Erreichen der Volljährigkeit ist ein bedeutender Moment, vieles wird einfacher – wie zum Beispiel Einkaufen, einiges wird erst möglich – wie beispielsweise Wählen, anderes endet – wie freier Eintritt oder Kinderportionen. Ist dieser Zustand aber einmal erreicht, so dauert er im Normalfall unverändert jahrzehntelang an. Was sich aber im Laufe eines Menschenlebens ändert, ist das intellektuelle Selbstbild sowie das gefühlte Selbstbild.
Wie fühlst Du Dich innerlich?
Wenn Du einem Menschen begegnest, der Dir imponiert, der in Deinen Augen viel erreicht oder viel durchgestanden hat, fühlst Du Dich dann jung, unwissend und wie ein Kind? Vermutlich tust Du das, völlig unabhängig vom biologischen Altersunterschied.
Dennoch kennst Du sicherlich auch diese Situation: in einer Gruppe soll etwas erarbeitet werden, mit dem Du Dich schon sehr lange befasst. Für manch anderen Teilnehmer ist das Thema eher neu, und vieles muss erst durchbuchstabiert werden, was Dir vertraut und selbstverständlich ist. Für Momente fühlst Du Dich sehr alt. Relativ gesehen.
Wie erwachsen wir uns fühlen hängt also oft von unserer Umgebung ab.
Dennoch haben wir auch unabhängig von vorübergehenden Einflüssen ein Bild von uns selbst. Unsere persönliche Idee davon, wie jemand zu sein hat um als Erwachsener zu gelten, prägt natürlich unseren Umgang mit anderen und mit uns selbst. Stimmt unser Selbstbild nur zu einem geringen Maß mit dieser unserer Definition überein, gibt es große innere Spannungen und Selbstzweifel.
In unserem Selbstbild sind Glaubenssätze und Definitionen enthalten, die uns mehr oder weniger so unser bewusstes Leben lang begleiten:
- Ich bin selbständig/abhängig
- Ich bin ungebunden/eingebunden
- Ich bin unsicher/selbstsicher
- Ich bin gut/schlecht
- Ich bin unwichtig/wichtig
- Ich kann viel erreichen/werde nie etwas schaffen
- Ich kann nichts/alles
- Ich bin brillant/dumm
- Ich bin begabt/talentlos
- Ich bin zu klein/groß/dick/dünn/alt/jung/weiblich/männlich/offen/kalt/naiv/abgebrüht…
Teilweise entsprechen diese Gedanken über uns selbst den Tatsachen. Aber in weiten Teilen ist dieses Selbstbild ein Produkt unserer guten und schlechten Erfahrungen, vor allen Dingen in unseren ersten Lebensjahren. So ist es keine Seltenheit, dass ein hochdotierter Manager mit der tiefen Überzeugung herumläuft, talentlos und zu langsam zu sein. Selbst wenn die erreichten Ziele eine andere Sprache sprechen empfinden wir uns selbst als fehlerhaft.
Je größer die Diskrepanz zwischen Selbstbild und äusseren Tatsachen und Fremdbild ist, desto eher entwickeln wir das Hochstapler Syndrom oder auch Impostor Phänomen.
Dann fühlen wir uns als Hochstapler und Betrüger, der jederzeit entlarvt zu werden droht. Da ist die mehrfache Mutter, deren Kinder längst in der höheren Schule sind, gesund und gut ernährt. Sie hat Momente in denen sie sich fühlt wie mit fünfzehn, und sich sorgt, die Nachbarn könnten merken wie wenig Ahnung sie von Haushaltsführung und Erziehung hat.
Da ist der Laborleiter, dessen Doktortitel auf jeder Visitenkarte steht, und der sich immer noch fragt, wie seine Professorin „diese Banalität“ als Grundlage für seine Dissertation akzeptieren konnte. „Das war alles viel zu einfach“ ist ein häufiger Gedanke. Befeuert werden die Selbstzweifel noch, wenn in der Umgebung Menschen sind, vor deren Leistungen Du großen Respekt hast.
Von Außen sehen sie alle wie kompetente Erwachsene aus. Aber von Innen?
Innerlich teilen Deine Mitmenschen Dein Los: so gut wie alle erinnern sich an ihre Jugend, an Fehler die sie machten, an Gefühle, Erfahrungen und Zweifel. Bei hochbegabten Menschen mit ihrem besonderen Talent zur Selbstreflektion kommt dieses Muster noch häufiger vor. Wir vermuten, bei Prüfungen zufällig genau das gefragt worden zu sein, was wir uns gemerkt hatten. Wir sehen unsere Lücken als größer an als unser Wissen. Wir fühlen uns jung, dumm, unerfahren und unsicher angesichts der offenkundigen Kompetenz unserer Kollegen oder Mitarbeiter.
Unser inneres Alter ist vollkommen unabhängig von unserer Stellung im Leben.
Das muss aber nicht zwingend immer etwas Schlechtes sein! In einem Buch* das ich kürzlich las, kam eine alte Dame vor, die weit über 80 war, und dennoch sagte: „Innerlich bin ich doch immer noch sechzehn!“ Und weißt Du was? Ich wünsche mir sehr, dass ich Gelegenheit bekomme, das unter ähnlichen Umständen auch zu sagen! Trotz meiner Erfahrungen, der erwachsenen Kinder, des beruflichen Erfolgs möchte ich doch meine innere Jugend und Offenheit behalten. Zu Staunen und zu Lernen ist mir so wichtig, dass ich dafür gerne in Kauf nehme, mich manchmal wie eine Hochstaplerin zu fühlen.
Wie siehst Du das: wie erwachsen bist Du?
Herzlichst, wo immer Du gerade bist,
P.S.: Bitte hinterlass mir einen Kommentar, gerade auch, wenn Du das ganz anders siehst – ich bin gespannt!
*Jenny Colgan: „Welcome To Rosie Hopkins‘ Sweetshop of Dreams“. Nette Urlaubslektüre ohne großen Anspruch.
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Was heißt hier erwachsen? Damit meine ich nicht, wie lange Deine Geburt her ist, ob Du wahlberechtigt bist oder geschäftsfähig. Fühlst Du Dich erwachsen? Und ist dein Selbstbild das einer erwachsenen Person?
Bist Du nach Deiner eigenen Definition erwachsen?
Letztendlich ist das Alter laut Ausweis, die gesamte rechtliche Seite unseres Älterwerdens nicht so relevant für den Alltag. Klar, das Erreichen der Volljährigkeit ist ein bedeutender Moment, vieles wird einfacher – wie zum Beispiel Einkaufen, einiges wird erst möglich – wie beispielsweise Wählen, anderes endet – wie freier Eintritt oder Kinderportionen. Ist dieser Zustand aber einmal erreicht, so dauert er im Normalfall unverändert jahrzehntelang an. Was sich aber im Laufe eines Menschenlebens ändert, ist das intellektuelle Selbstbild sowie das gefühlte Selbstbild.
Wie fühlst Du Dich innerlich?
Wenn Du einem Menschen begegnest, der Dir imponiert, der in Deinen Augen viel erreicht oder viel durchgestanden hat, fühlst Du Dich dann jung, unwissend und wie ein Kind? Vermutlich tust Du das, völlig unabhängig vom biologischen Altersunterschied.
Dennoch kennst Du sicherlich auch diese Situation: in einer Gruppe soll etwas erarbeitet werden, mit dem Du Dich schon sehr lange befasst. Für manch anderen Teilnehmer ist das Thema eher neu, und vieles muss erst durchbuchstabiert werden, was Dir vertraut und selbstverständlich ist. Für Momente fühlst Du Dich sehr alt. Relativ gesehen.
Wie erwachsen wir uns fühlen hängt also oft von unserer Umgebung ab.
Dennoch haben wir auch unabhängig von vorübergehenden Einflüssen ein Bild von uns selbst. Unsere persönliche Idee davon, wie jemand zu sein hat um als Erwachsener zu gelten, prägt natürlich unseren Umgang mit anderen und mit uns selbst. Stimmt unser Selbstbild nur zu einem geringen Maß mit dieser unserer Definition überein, gibt es große innere Spannungen und Selbstzweifel.
In unserem Selbstbild sind Glaubenssätze und Definitionen enthalten, die uns mehr oder weniger so unser bewusstes Leben lang begleiten:
Teilweise entsprechen diese Gedanken über uns selbst den Tatsachen. Aber in weiten Teilen ist dieses Selbstbild ein Produkt unserer guten und schlechten Erfahrungen, vor allen Dingen in unseren ersten Lebensjahren. So ist es keine Seltenheit, dass ein hochdotierter Manager mit der tiefen Überzeugung herumläuft, talentlos und zu langsam zu sein. Selbst wenn die erreichten Ziele eine andere Sprache sprechen empfinden wir uns selbst als fehlerhaft.
Je größer die Diskrepanz zwischen Selbstbild und äusseren Tatsachen und Fremdbild ist, desto eher entwickeln wir das Hochstapler Syndrom oder auch Impostor Phänomen.
Dann fühlen wir uns als Hochstapler und Betrüger, der jederzeit entlarvt zu werden droht. Da ist die mehrfache Mutter, deren Kinder längst in der höheren Schule sind, gesund und gut ernährt. Sie hat Momente in denen sie sich fühlt wie mit fünfzehn, und sich sorgt, die Nachbarn könnten merken wie wenig Ahnung sie von Haushaltsführung und Erziehung hat.
Da ist der Laborleiter, dessen Doktortitel auf jeder Visitenkarte steht, und der sich immer noch fragt, wie seine Professorin „diese Banalität“ als Grundlage für seine Dissertation akzeptieren konnte. „Das war alles viel zu einfach“ ist ein häufiger Gedanke. Befeuert werden die Selbstzweifel noch, wenn in der Umgebung Menschen sind, vor deren Leistungen Du großen Respekt hast.
Von Außen sehen sie alle wie kompetente Erwachsene aus. Aber von Innen?
Innerlich teilen Deine Mitmenschen Dein Los: so gut wie alle erinnern sich an ihre Jugend, an Fehler die sie machten, an Gefühle, Erfahrungen und Zweifel. Bei hochbegabten Menschen mit ihrem besonderen Talent zur Selbstreflektion kommt dieses Muster noch häufiger vor. Wir vermuten, bei Prüfungen zufällig genau das gefragt worden zu sein, was wir uns gemerkt hatten. Wir sehen unsere Lücken als größer an als unser Wissen. Wir fühlen uns jung, dumm, unerfahren und unsicher angesichts der offenkundigen Kompetenz unserer Kollegen oder Mitarbeiter.
Unser inneres Alter ist vollkommen unabhängig von unserer Stellung im Leben.
Das muss aber nicht zwingend immer etwas Schlechtes sein! In einem Buch* das ich kürzlich las, kam eine alte Dame vor, die weit über 80 war, und dennoch sagte: „Innerlich bin ich doch immer noch sechzehn!“ Und weißt Du was? Ich wünsche mir sehr, dass ich Gelegenheit bekomme, das unter ähnlichen Umständen auch zu sagen! Trotz meiner Erfahrungen, der erwachsenen Kinder, des beruflichen Erfolgs möchte ich doch meine innere Jugend und Offenheit behalten. Zu Staunen und zu Lernen ist mir so wichtig, dass ich dafür gerne in Kauf nehme, mich manchmal wie eine Hochstaplerin zu fühlen.
Wie siehst Du das: wie erwachsen bist Du?
Herzlichst, wo immer Du gerade bist,
P.S.: Bitte hinterlass mir einen Kommentar, gerade auch, wenn Du das ganz anders siehst – ich bin gespannt!
*Jenny Colgan: „Welcome To Rosie Hopkins‘ Sweetshop of Dreams“. Nette Urlaubslektüre ohne großen Anspruch.
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