Das Bunte Leben

Der Fluch der glitzernden Dinge

Der FLuch der glitzernden Dinge (Text auf in der Dunkelheit glitzerndem Glitterstaub) ©2025 Johanna Ringe www.dein-buntes-leben.de

„Ooooh, es glitzert!“ sagt mein Gehirn und vergisst sofort alles, was ich gerade lesen, tun oder schreiben wollte. Mein Blick ist auf einen Prospekt gefallen, der aus unserer Zeitung fiel. Eine Anzeige für Handtaschen. Die Handtaschen sind unglaublich hässlich, aber sie haben etwas Interessantes: bunt gemusterte abnehmbare Riemen. Der Riemen, der meinen Blick anzieht, hat ein interessantes Muster, gewebt in langweiligen Farben. Er ist sehr, wirklich sehr hässlich, aber die Idee in meinem Kopf ist es nicht… verflixt, ich bin schon wieder dem Fluch der glitzernden Dinge zum Opfer gefallen!

Das ist ein uralter Fluch.

Nicht nur ich bin schon in frühester Kindheit diesem Fluch zum Opfer gefallen, nein, ich glaube dieser Fluch ist so alt wie die Menschheit selbst. Es muss diese Höhlenbewohnerin gegeben haben, die bei der Bestandsaufnahme der essbaren Dinge vor ihr von der klitzekleinen roten Feder abgelenkt wurde, die daneben auf dem Boden lag. Vergessen war das Abendessen, vergessen ihre Arbeit: Sie wollte und musste sofort herausfinden, wie sie diese wunderschöne Feder am besten in Szene setzen könnte. Oh ja, diese klitzekleine rote Feder war ein mächtiges glitzerndes Ding!

Es geht aber nicht immer nur um Schönheit.

Wenn wir da an einen gewissen Künstler der italienischen Renaissance denken, der die Gewohnheit hatte, futuristische Kampfmaschinen auf den Rändern seiner Skizzenbücher zu erfinden, zwischen Heiligenbildern und Skizzen hübscher junger Männer, dann wirst Du mir sicher zustimmen. Effektiveren Massenmord zu konzipieren hat absolut nichts Schönes. Aber es ist ein Symptom für eine bestimmte Sorte Gehirn. Ein Gehirn welches sich enthusiastisch jeder beliebigen Sache widmen kann. Absolut alles andere geht vergessen in dem Moment, wenn dieses neue glitzernde Ding entdeckt, erforscht und ausgelotet werden möchte.

Wenn das glitzernde Ding nicht neu ist, dann kann es auf neue Art benutzt werden.

Zurück zu den fürchterlichen Handtaschen: ich gebe zu, ich habe letztens erst Riemen mit Karabinerhaken genäht. Also ist das glitzernde Ding in diesem Fall das fein gewobene Muster. Wo ich simple Bänder benutzt habe, hätte ich auch etwas Interessanteres benutzen können. Ich musste sofort an den Mittelaltermarkt denken – natürlich! – und an die Frau beim Brettchenweben. Die hat mich offenbar nachhaltig beeindruckt. Ach, das ist übrigens mehr als 20 Jahre her…

Gegen Langeweile verbindet mein Hirn gern die disparatesten Sachen miteinander.

Das ist es: mein Gehirn langweilt sich schnell, also springt es auf alle glitzernden Dinge die Ablenkung versprechen. Bitte nicht falsch verstehen, ich habe kein ADHS, nur ein sehr schnelles Gehirn, das sich entsprechend schnell langweilt. Eine Scannerpersönlichkeit mit einem Hochleistungsgehirn. Ich habe schon vor langer Zeit verstanden, wie man beispielsweise eine Gemüsesuppe kocht oder Wäsche wegräumt. Also langweilt sich mein Gehirn, während ich das tue, und ein gelangweiltes Gehirn ist ein kreatives Gehirn. Eine gefährliche Situation, denn

Für das gelangweilte Gehirn sind erfinden, erinnern und grübeln gleichwertig.

Kreativität ist für Dein Gehirn nämlich nicht unbedingt das Erschaffen von etwas Neuem, sei es schön oder sinnvoll. Dein Gehirn kann auch überaus kreativ darin sein werden, sich die schlimmstmöglichen Ergebnisse Deines Handelns vorzustellen. Oder das Schlimmste, was Deinen Liebsten gerade passieren kann. Oder vollkommen unwahrscheinliche Katastrophenszenarien. Oder die Konsequenzen all der Nachrichten, die Du gerade in der Zeitung gelesen hast…

Ja, grübeln ist ein entspannendes Hobby für das gelangweilte Gehirn.

Schnelle Gehirne möchten gerne immer etwas zu tun haben. Als ich das verstanden habe, konnte ich meine Tendenz, spontan neue Hobbys zu entwickeln, viel besser akzeptieren. Neue, interessante, also glitzernde Dinge sind bessere Ziele für mein Gehirn, als über den Weltuntergang oder die Vergangenheit nachzudenken. Ich glaube nicht, dass ich demnächst mit dem Brettchenweben anfangen werde, aber ich verspreche nichts.

Denn ich bevorzuge immer, irgendetwas neues zu erschaffen, statt zu grübeln.

Also, wenn auch Du unter dem Fluch der glitzernden Dinge stehst, sei versichert: mit Dir ist alles in Ordnung! Gib Deinem Gehirn nur genug Futter, natürlich am besten wohlüberlegtes und ausgewogenes, und alles wird gut. (Und falls Du Dich zufällig mit Brettchenweben auskennst, schick mir gerne Informationen dazu…)

Herzlichst, wo immer Du gerade bist,

Unterschrift Johanna (c) Johanna Ringe 2014 ff. www.dein-buntes-leben.de

P.S.: Falls Du auch dann permanent von glitzernden Dingen abgelenkt wirst, wenn Du eigentlich gerade mit etwas relevantem beschäftigt bist, dann ist ADHS evtl. doch ein Thema und es könnte sich lohnen, sich damit zu beschäftigen. Und Monotropismus ist vielleicht auch ein interessantes Stichwort. Oder einfach die Scannerpersönlichkeit? Mit Selbstdisziplin hat das nämlich nichts zu tun…

P.P.S.: vor einigen Jahren habe ich einen ähnlichen Artikel auf Englisch geschrieben, in dem ich die Riemen erwähnt habe. Ich habe also handtaschentechnisch nicht etwa die letzten Jahre hinterm Mond verbracht….