Das Bunte Leben Hochsensibilität

Die Sehnsucht nach der Stille

Stille: ein Sonnenuntergang am ruhigen Meer. ©Johanna Ringe 2021 www.dein-buntes-leben.de

Hast Du genug Stille in Deinem Leben? Ich meine nicht Ruhe, Freizeit, Schlaf oder Entspannung. Ich meine wirkliche Stille, die Abwesenheit von Geräuschen, die Freiheit von der unleugbaren Präsenz anderer Wesen, seien es Tiere oder Menschen.

Natürlich sind wir keine EREMITEN sondern Rudeltiere.

Natürlich sind wir schon vor unserer Geburt daran gewöhnt, den Herzschlag unserer Mutter zu hören, ihre Stimmlage wahrzunehmen, die Geräusche ihres Körpers. Und genau deshalb ist eine Situation der Nähe mit einem anderen Menschen für uns oft zutiefst entspannend und vermittelt Geborgenheit.

Aber ich sehne mich manchmal nach Stille. Nach absoluter Stille.

Keine Grillen, keine Rasenmäher, keine Vögel, kein wummernder Bass, kein Klavier, keine Gespräche, kein Kinderlachen, kein plätschern, kein Regen. Natürlich kann ich Musik hören, um alle diese Dinge zu übertönen, und mir so meinen eigenen akustischen Hintergrund schaffen.
Manchmal reicht das auch. Manchmal nicht.

Die meisten Hochsensiblen und viele Hochbegabte erleben, wenn nicht immer so doch ab und zu, eine heftige Abneigung gegen manche Geräusche.

Das kann die verzerrte Musik sein, die aus dem Kopfhörer des Mitfahrers dringt. Das kann das Kauen und Schlucken unseres Gegenübers sein. Das kann der übende Musiker in der Nachbarschaft oder das weinende Kind in der anderen Wohnung sein.

Hochsensible Menschen können diese Geräusche nicht ausblenden, im Gegensatz zu ihren Mitmenschen.

Man muss nicht hochsensibel sein, um genervt zu sein von Geräuschen, das ist klar. Aber wir Hochsensiblen haben keine Scheuklappen, weder optische noch akustische, die uns vor einer sensorischen Überforderung schützen können. Scheinbar funktioniert die gesamte Verarbeitung von Eindrücken im Gehirn eines Hochsensiblen anders. Wir brauchen auch länger, um alle Eindrücke zu verarbeiten.

Daher sehnen wir uns manchmal nach einer Stille, die nichts von uns fordert.

Wir sehnen uns nach einer Stille, die wir nicht herbeiführen oder erschaffen müssen. Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind abends im Bett lag und meinen Kopf anders positionieren musste, um meinen eigenen Herzschlag nicht zu hören. Weil mich der gestört hat. Weil ich schlafen wollte, in Ruhe. Stille war da nie: meine Eltern und mein Bruder irgendwo im Haus, die Nachbarn, der Straßenverkehr, die Vögel, der Wind … Melodisches Vogelgezwitscher und Regen sind die beiden Dinge, die mich noch heute am besten in den Schlaf begleiten.

Wir wissen dass es nicht einmal im Weltall still ist, wenn man selbst dort ist:

der eigene Atem, Puls, Geräte, Schläuche, der Anzug an sich… Es ist keine Option. Ein Floating Tank soll eine wunderbare Erfahrung der Stille und Ruhe sein, eine gezielte Auszeit von sensorischen Eindrücken. Ich persönlich denke, mein Herzschlag würde mich dann in den Wahnsinn treiben. Also ist Floating vermutlich auch keine Option. Was kann ich denn tun?

Was ich tun kann ist, mir meine Umgebungsgeräusche auszusuchen.
  • Ich kann Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung aufsetzen und eine Musik oder Meeresrauschen nutzen, wie einen Schutzmantel.
  • Ich kann in die Natur gehen und im bewussten Lauschen auf Vögel und Wind und alle anderen Geräusche Frieden finden.
  • Ich kann die Stille der Nacht suchen.
  • Ich kann mich ans Meer setzen und die Wellen ihre Magie wirken lassen, die weit über eine Geräuschkulisse hinausgeht.
Du kannst das auch tun!
  • Du kannst in ein Konzert gehen wo die Musik, die Du magst, alles andere verblassen lässt.
  • Du kannst gezielt Orte der Stille aufsuchen.
  • Du kannst singen oder musizieren und in der Konzentration (auch in der Gemeinschaft mit anderen) Entspannung finden, und eine Ruhe, die keine Stille braucht.
  • Du kannst irgendetwas tun, was Deine volle Aufmerksamkeit erfordert und Dich in den Flow kommen lässt.
  • Du kannst die Nachbarin fragen, ob Du ein bisschen Babysitten sollst, oder wie das Stück heißt, dass sie auf dem Klavier spielt.
  • Du kannst früher aufstehen (oder später ins Bett gehen), um die relative Stille der Nachtstunden zu geniessen.
  • Du kannst Dich unter die Dusche stellen und das Wasser bewusst wahrnehmen, alle Anspannungen fortspülen lassen und so zur Ruhe kommen.
  • Du kannst einen Floating tank ausprobieren.
Was uns sonst noch nutzt: Meditation, Autogenes Training, Sport, Kreativität – alles, was uns hilft oder lehrt, uns selbst zu regulieren, und/oder uns in den flow bringt.

Denn wir können – trotz fehlender Scheuklappen – lernen mit der Welt umzugehen. Trotz der Abwesenheit von Stille. Wir können lernen, dass die Konzentration auf den eigenen Herzschlag auch ein positives Erlebnis sein kann. Wir können lernen, unseren Atem, unseren Herzschlag und damit unsere innere Ruhe bewusst zu beeinflussen. In der Stille oder im Klang. Frieden zu finden, mit unserer Umgebung und unseren Eindrücken in Einklang zu kommen.

Und wann immer wir im Einklang mit unserer Umgebung sind, in welcher Form auch immer, geht es uns gut und die Sehnsucht schweigt.

Herzlichst, wo immer Du gerade bist,

Unterschrift Johanna (c) Johanna Ringe 2014 ff. www.dein-buntes-leben.de

 

PS: Wie ist das bei Dir? Lass mir doch bitte einen Kommentar unten: Welche Erfahrungen machst Du, und welche Lösungen hast Du vielleicht schon gefunden?