Das Bunte Leben Selbstannahme

Was (und warum) ist ein Retreat?

Text "Willkommen in Deinem Retreat" über Photo durch altes Tor in einen weiten Garten (c) 2017 Johanna Ringe www.dein-buntes-leben.de

Als ich mit dem zweiten Kind schwanger war, müde junge Mutter einer intelligenten, sensiblen Tochter von etwas mehr als einem Jahr, begegnete mir in der Buchhandlung das erste Mal ein Buch von Jennifer Louden. Es hiess „Tu dir gut! Das Wohlfühlbuch für Frauen“ und war meine Rettung. So viele Tips für Selbstfürsorge im Alltag, praktikabel, sinnvoll und unendlich hilfreich… es ist eines der Bücher, die ich immer und immer wieder zur Hand nehme, seit vielen Jahren.
Einige Jahre später sah ich ein anderes Buch derselben Autorin, dessen Titel mir als nun zweifacher Mutter sofort Tränen in die Augen trieb:

Zeit für Dich – Neue Kräfte schöpfen aus der Stille

Kurze Zeit später nahm ich mir das erste Mal bewusst einige Tage frei, fuhr in einen anderen Ort, ins beschauliche Bad Wimpfen, in ein Hotelzimmer für mich allein, um ein Retreat zu machen. Retreat heisst Rückzug, und genau darum ging es mir: mich bewusst zurückzuziehen aus dem anstrengenden und fordernden Alltag als Ehefrau und Mutter, hinein in einen Moment der Stille.

Es war ein Zu-mir-selbst-zurück-zu-kommen.

Im englischen Wort Retreat steckt auch das Wort Treat darin… was soviel heisst wie Leckerei oder besonderes Vergnügen… und in ihrem Buch stellt Louden die verschiedensten Varianten eines Retreats vor, von einem zweistündigen Museumsbesuch bis hin zu mehreren Wochen des Rückzugs. Heute bieten viele Seminarhäuser oder spirituelle Lehrer Retreats an, Meditations-Retreats in Bali, Yoga-Retreats in Goa, spirituelle Retreats in Kalifornien, Schreib-Retreats in der Toscana…. es scheint alles zu geben. Dennoch fehlt mir in all dem organisierten Angebot etwas Essentielles:

Das Retreat als unkomplizierter Weg zu mehr Kraft für jeden Tag

Leider sind Loudens Bücher wohl nur noch antiquarisch zu bekommen, vielleicht hast Du Glück und findest eines in der Bibliothek. Sie enthalten die verschiedensten Vorschläge zu Ablauf und Gestaltung. Aber ansonsten erschaffe Deinen eigenen Plan für Dein Retreat. Kostenlos und an Deine Wünsche und Bedürfnisse perfekt angepasst.
Ich werde Dir ein paar Grundlagen kurz erklären. Jedes Retreat, egal wie lang es dauert oder wo es statt findet, besteht aus drei Elementen:

  1. ritueller Rückzug : die bewusste Entscheidung über eine Schwelle in Deinen privaten Bereich zu wechseln
  2. zeitloses Dazwischen : die bewusste Gestaltung dieses Zeitraumes
  3. Rückkehr : der bewusste Abschied von der Einsamkeit und Wiedereintritt in den Alltag

Das war es schon. Diese drei Elemente werden je nach Art und Dauer des Retreats unterschiedlich ausfallen: für einen Nachmittag wird die Vorbereitung und Durchführung natürlich kürzer und weniger komplex sein, als für drei Wochen in einer einsamen Hütte am Meer. Aber je bewusster diese Übergänge gestaltet werden, desto erholsamer und gehaltvoller kann das Retreat empfunden werden.

1. Deine Vorbereitung und Dein ritueller Rückzug

Dass Du einen bewussten Übergang in die Zeit des Rückzugs gestaltest ist wichtiger als wie. Es geht darum, den Alltag hinter Dir zu lassen und Deine Absichten für das Retreat in den Fokus Deiner Aufmerksamkeit zu rücken: frage Dich selbst, warum Du ein Retreat machen möchtest, was Du im Retreat tun willst, und wieviel Zeit Du Dir dafür nehmen kannst.
Dazu sind einige Fragen hilfreich, z.B.

  • Was denke und fühle ich beim Wort Retreat?
  • Was erhoffe ich mir von einem Retreat?
  • Was befürchte ich im Zusammenhang mit einem Retreat?
  • Wonach sehne ich mich und wie kann ich mir das im Retreat geben?
  • Was möchte ich mich in diesem Retreat fragen?*

Hier gibt es keine falschen Antworten, nur Deine persönlichen Antworten. Und sobald Du eine Absicht für Deinen Rückzug formuliert hast, kannst Du Dir ein Ritual überlegen, welches Dein Retreat einleitet. Das können simple Dinge sein, wie eine geschlossene Zimmertür und ein „Bitte nicht stören“-Schild für einen kurzen Retreat oder komplexere wie das Räuchern und symbolische Umgestalten eines fremden Hotelzimmers, um es Dir zu eigen zu machen. Hier ist vor allem Deine bewusste Entscheidung wichtig: „Jetzt geht es los und das ist mein Vorhaben…“

2. Die Gestaltung des Retreats im zeitlosen Dazwischen

Das Wichtigste hier ist: Du tust nichts von alledem, was Du normalerweise tust! Kein Abwasch, kein Papierkram, nichts für andere… Du tust nur, was Deiner Absicht und Deinem Vorhaben für dieses Retreat entspricht. Indem Du dich bewusst in einen geschützten Raum begeben hast, bist Du offen für Deine Bedürfnisse, Deine Intuition und Deine innere Stimme. (Hier findest Du ein paar Ideen, wie Du Zugang zu ihr finden kannst.) Du darfst jetzt ganz bei Dir selbst sein, wie auch immer Du das erreichst. Du kannst meditieren, spazieren gehen, schreiben, musizieren, tanzen, malen – Hauptsache, Du kommst in Deine innere ruhige Mitte.

Dafür sind die Einsamkeit und die Stille des Retreats da: Zugang zu Deinem inneren unverfälschten Selbst und seiner großen Weisheit zu erlangen.

Ob Du nun ein langes Retreat, ein Miniretreat oder ein Retreat in der Welt machst (also beispielsweise eine Reise machst, oder in ein Museum gehst), das Ziel ist immer dasselbe: zu Dir selbst und Deiner Wahrheit zurück zu kommen.
Vielleicht geschieht gar nichts aufregenderes, als dass Du nur in Deinem Rhythmus schläfst und nur isst, was Du wirklich möchtest und nur, wenn Du hungrig bist. Vielleicht findest Du aber auch heraus, dass eine schwierige anstehende Entscheidung, über die Du nachdenken wolltest, schon längst in Deinem Herzen getroffen ist. Vielleicht sprudelt auch Deine Kreativität ungehemmt und Du kannst es endlich geniessen. Jede Reise ist anders – hab Vertrauen.

3. Deine bewusste Rückkehr in die Welt

Ein Miniretreat kannst Du mit ein paar tiefen Atemzügen beenden, bevor Du Deine Zimmertür wieder öffnest. Ein langes Retreat endet vielleicht mit einer Heimreise, oder der Rückkehr Deiner Mitbewohner – in beiden Fällen solltest Du vorher innehalten und Dich bewusst von Deiner Zeit des Rückzugs verabschieden. Bedanke Dich bei allen unterstützenden Aspekten, auch bei Deinem Mut, Deiner Beharrlichkeit. Bedanke Dich bei Dir selbst, dass Du Dir diese Erfahrung möglich gemacht hast!
Oft ist es auch sinnvoll, die gewonnenen Erkenntnisse kurz zu notieren. Vielleicht möchtest Du ein Bild, ein Plakat oder ähnliches gestalten, um Dich an das Wesentliche zu erinnern?

Es gibt kein richtig oder falsch, es gibt nur Deinen Weg

Wie so oft macht auch hier Übung den Meister. Was anfangs seltsam oder sperrig scheint, wird irgendwann zu einer Selbstverständlichkeit. Du musst niemandem davon erzählen, Du kannst einfach die Tür für 20 min. schliessen und kurz Tagebuch schreiben. Oder Du machst eine Reise, allein, an einen Ort der Dir Kraft gibt, und kommst verändert und gestärkt zurück. Oder Du nimmst Dir irgendeinen Zeitraum dazwischen und gestaltest ihn genau so, wie Du willst. Es ist Dein Leben, Dein Spiel, Dein Retreat.
Ich hoffe, ich konnte Dir ein paar Ideen geben, und wünsche Dir das Beste auf Deiner Reise!

Herzlichst, wo immer Du gerade bist,

Unterschrift Johanna (c) Johanna Ringe 2014 ff. www.dein-buntes-leben.de

 

*es gibt unendlich viele Themen, die in einem Retreat geklärt werden können, das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

P.S.: Hier habe ich über die Notwendigkeit eines Freiraums, einer Zuflucht geschrieben. Vielleicht ist es das, was Du suchst…

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