Hochbegabung Selbstannahme

Wie ist das mit Dir und der Integrität?

Foto einer zarten Rosenblüte mit Text: Deine Integrität . (c) Johanna Ringe 2017 www.dein-buntes-leben.de

Immer wieder liest man von den mehr oder weniger integeren Politikern, der eine oder andere verliert seinen Posten mangels Integrität. Selbst das Anzweifeln derselben kann manche Menschen ihren Posten kosten. Das ist auch richtig so, denn die Unbestechlichkeit und Treue zu ihren eigenen Werten ist das, was manche Politiker bei aller Diplomatie zu erträglichen Personen macht, denen wir bereitwillig Macht übertragen.

Hochbegabte entwickeln bereits früh einen Sinn für Integrität.

Oder sie haben ihn einfach. Wer mit diesen Wunderwesen zu tun hat, sei es als Eltern oder als Lehrer, weiß wovon ich rede: fassungslose Verzweiflung angesichts falscher Versprechungen, Lügen und Unehrlichkeiten. Wenn die geliebte Oma auf einmal eine Lüge wie die vom Osterhasen erzählt, ist das sehr schwer zu verarbeiten. Falsche Freundlichkeit bei Verkäufern oder Ärzten, die „ganz offensichtlich“ aus manipulativen Gründen dem kleinen Menschen Süßigkeiten anbieten, führt zur sofortigen Verurteilung durch das Kind: „Den mag ich nicht!“ Wenn ein Arzt sagt: „Das tut gar nicht weh!“, und dann eine Nadel in den Kinderarm rammt, dann ist das ein Verbrechen. So habe ich das als Kind und auch als Mutter empfunden.

Wieso ist in manchen Fällen Ehrlichkeit unpopulär?

Der Arzt könnte doch einfach sagen: „Das kann ein bisschen pieksen, ist aber gleich wieder vorbei!“. Damit wäre allen geholfen. Und solange die begleitende erwachsene Person nicht vorsorglich dramatisch tröstet, halten die meisten Kinder einen offenbar unausweichlichen Schmerz gut aus. Zumindest die meisten hochbegabten, mit denen ich zu tun hatte und habe. Wieso also die Lüge? Wann immer ich das gefragt habe, bekam ich Antworten wie „Damit die Spritze überhaupt gegeben werden kann./ Weil man das halt so sagt. /Weil das Kinder beruhigt. /Weil das die Eltern beruhigt. /etc. “ Das sind meiner Meinung nach keine Antworten. Eine Antwort wäre: „Weil ich nicht weiß, wie ich das Kind sonst beruhigen soll.“ oder „Weil ich nichts anderes für den Fall gelernt habe.“ oder auch „Weil ich mit Kindern nicht gut umgehen kann.“

Wäre es denn so schlimm, ehrlich zu sein?

Wenn ein Arzt sich als Mensch zeigt, und seine Sympathie mit einem „Ja, das piekst ein wenig. Ich mag auch keine Spritzen bekommen! Ist aber gleich vorbei, und du machst das gut!“ kund tut, kann er wirklich punkten. Zumindest bei hochbegabten Patienten. Mit Sätzen wie: „Stell Dich nicht so an!“ oder „Wenn Sie nicht einmal das aushalten, wie wollen Sie dann das Kind zur Welt bringen?!“ dagegen verspielt der Arzt jede Beziehung zum Patienten. Und verliert meistens etliche aus seiner Kartei, denn das zieht Kreise.

Ehrlich gesagt verstehe ich Unehrlichkeit selten.

Mich regt es sogar auf, wenn meine offensichtlich gestresste Bäckerin plötzlich ihr Verkaufslächeln anschaltet und sehr freundlich fragt, was sie für mich tun kann. Da wäre mir ein ehrliches, angespanntes Gesicht lieber. Oft bin ich damit allein, aber diese Situationen kosten mich richtig Kraft. Falsche Freundlichkeit gewinnt mich nicht als Kundin. Schon gar nicht, wenn ich fühle, dass beispielsweise die Juwelierin meine bunten Haare und meine legere Kleidung falsch einschätzt, und sich sicher ist, dass ich nicht das nötige Geld habe, um Schmuck zu kaufen. Diese leicht unterkühlte Freundlichkeit… nicht sehr einladend! Als Hochbegabte mit starker Empathie ist mir das, was viele Menschen als Höflichkeit oder „Kitt der Gesellschaft“ bezeichnen schon immer suspekt gewesen.

Da ist mir unverschämte Integrität viel lieber!

Wenn eine fremde Person mich mit fassungslosem Blick ansieht und fragt, wie ich meinen Friseur dazu bekommen hätte, meine Haare so zuzurichten… dann fliegt ihr mein Herz zu, selbst wenn wir offenbar unterschiedliche ästhetische Maßstäbe anlegen. Und da sie ihren Maßstäben und Vorstellungen treu bleibt, also integer ist, empfinde ich sie als angenehmes Gegenüber. So einfach kann es sein. Wenn man sich ganz erwachsen darauf einigen kann, dass keine Einigung möglich ist, dann ist das perfekt.

Alle Beteiligten bleiben integer – wunderbar!

Selbst wenn ein Arzt mir klar sagt, daß er meine Schmerzempfindlichkeit nicht verstehen kann, mir aber zuhört, wenn ich von Hochsensibilität erzähle, mag ich ihn lieber als seinen lächelnden Kollegen, dessen respektlose Gedanken mir ins Gesicht schreien. Denn Klarheit ist eine gute Gesprächsgrundlage. Und Kommunikation ist das Wichtigste im zwischenmenschlichen Umgang.
Jetzt fragst Du, was mit höflichen Lügen und tröstenden Worten sei? Bei Trost ist es einfach: ehrlich zugeben, dass man sprachlos ist, aber da sein wird. Je nach Situation ist auch eine Hand auf dem Rücken oder eine Umarmung angebrachter als jede Floskel oder unbeholfene „Das wird wieder“-Phrase.

Mir ist Schweigen lieber als jede noch so nett gemeinte Lüge.

Und damit bin ich nicht allein, das weiß ich. Die sprichwörtlich gewordenen drei Siebe des Sokrates sind nach wie vor klug eingesetzt: Wahrheit, Güte und Notwendigkeit. Bevor Du etwas aussprichst, frage Dich: ist es wahr? Nein, aber ist es dann wenigstens gut? Nein? Aber dann ist es schließlich notwendig? Dann sprich, ansonsten schweige lieber.
Selbstverständlich werden die wenigsten im Leben stehenden Menschen jeden ihrer Sätze daraufhin prüfen. Aber es kann doch als Anregung dienen.

Denn eine explosive Beschwerde mag unter Umständen weder vollkommen wahr noch gut sein, aber sehr notwendig!

Um Deine Integrität zu wahren musst Du Dich deutlich gegen Dinge wehren, die nicht mit Deinen eigenen Werten und Überzeugungen übereinstimmen. Das gilt für den Politiker, der den Bestechungsversuch anzeigt genauso wie für das Kind, das sich gegen den übegriffigen Rat oder gar Kuss wehrt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber offenbar für viele Menschen immer noch unverständlich.

Deine Integrität dem lieben Frieden zu opfern ist keine Option!

Du wirst mir sicher zustimmen, wenn ich Deine Integrität für sehr sehr wichtig halte. Wichtiger als vieles andere, denn sich selbst untreu zu werden hat langfristige Konsequenzen unter denen gerade hochbegabte Menschen oft extrem leiden, dank gutem Gedächtnis und klarer Reflektiertheit.  Von den direkten Empfindungen, die durch Hochsensibilität hinzukommen können, ganz zu schweigen. Daher möchte ich Dich ermutigen, unbequem und ehrlich zu sein, authentisch und klar zu kommunizieren, in allen Situationen. Manchmal fordert das Überwindung, aber letzen Endes macht es Dein Leben mit Dir selbst glücklicher. Und darum geht es doch.

Herzlichst, wo immer Du gerade bist,

Unterschrift Johanna (c) Johanna Ringe 2014 ff. www.dein-buntes-leben.de

 

P.S.: Lass mich gerne wissen, wenn Du anderer Meinung bist! Ich freu mich drauf!

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