Das Bunte Leben Hochbegabung

Das Konfliktpotential „flauschigen“ Essens

Zeichnung eines Weinglases aus dem ein Baum wächst, eine Ananas, eine Zigarre, Trauben und eine Schokoladentafel : Konfliktpotential (c) 2017 Johanna Ringe www.dein-buntes-leben.de (c)

Darf Essen flauschig sein? Keine Sorge, hier reden wir weder von Schimmelpilzkulturen noch von Kaninchen. Nein, wir reden von der oft originellen und manchmal für andere verstörenden Weltsicht der Hochbegabten und Hochsensiblen. Großes Konfliktpotential ist bereits in jeder Begrüßung enthalten: gibt man sich die Hand? Umarmt man sich? Wie viel Formalität und wie viel Körperkontakt erwarten die Beteiligten? Da kann es so große Unterschiede geben, dass jede Begegnung zu unangenehmen Gefühlen auf beiden Seiten führt. Der eine fühlt sich nicht genug geliebt, der andere überfordert durch zu viel Nähe… Du siehst, worauf ich hinaus will? Ein gewisses Konfliktpotential findet sich in jeder zwischenmenschlichen Begegnung.

Je unterschiedlicher nun die Beteiligten in ihrer Persönlichkeit, in ihren Erwartungen und ihrer allgemeinen Weltsicht sind, desto größer ist das Konfliktpotential.

Zum Beispiel der Besuch beim Arzt: für hochsensible Personen erfordert bereits das Wartezimmer besonders bewusstes Abgrenzen. Dann, im Sprechzimmer, will man Antworten haben, hat viele Fragen und Befürchtungen und möchte sich gesehen und verstanden wissen. Hochsensible und Hochbegabte sind oft unbequeme, mündige Patienten, die alles ganz genau wissen wollen. Je nachdem, wie der Arzt selbst gestrickt ist, kann das zu großen Konflikten führen, oder zu einer gesunden, stärkenden Beziehung.
Erschwert wird die Verständigung oft dadurch, dass HB und HS oft aussergewöhnlich denken, anders assoziieren und einen ungewöhnlichen Wortschatz nutzen um ihre originellen Gedanken zu präsentieren. Wir denken wirklich anders als die meisten anderen Menschen. (Und auch als die meisten anderen Hochbegabten!) Es ist wichtig, sich das bewusst zu machen: die anderen wollen uns nicht ärgern, sie verstehen uns schlicht oft gar nicht. Weil unsere Gedanken andere Wege gehen und somit für unser Gegenüber nicht nachvollziehbar sind.

Je bewusster Dir die eigene Besonderheit ist, umso besser kannst Du Situationen einschätzen und entschärfen.

Um auf das flauschige Essen zurückzukommen: vielleicht kennst Du Dim Sum ? Aus der asiatischen, speziell der kantonesischen Küche bekannte kleine Häppchen. Dabei gibt es eine Variante aus gedämpftem Hefeteig mit verschiedenen pikanten oder süßen Füllungen, die meine Tochter und ich nicht anders bezeichnen können als „flauschig“. Sie haben natürlich kein Fell, sondern bestehen aus einem derart leichten und weichen Hefeteig, dass uns nur das Wort „flauschig“ passend erscheint. Für manchen mag diese Bezeichnung eher abschreckend sein, und wenig appetitanregend. Vor allem ist sie für die meisten nicht be-greif-bar, nicht griffig. Um so überraschender ist es, wenn ein Freund sofort „Ja, genau!“ ruft.

Bestenfalls führt die Unterschiedlichkeit dazu, dass die Beteiligten einander offen zuhören und sich durch die neuen Ideen bereichert fühlen.

Nicht jeder Freund soll die Hefebällchen nun flauschig nennen, aber es tut gut, wenn er die Originalität der Bezeichnung würdigen kann. Wer sich jemals mit Wein beschäftigt hat, weiß dass blumig und herb nur die Spitze des Eisbergs sind: von Schokoladen- und Tabakaromen über Leder bis zu Zedernholz finden Connaisseure die seltsamsten Assoziationen. Dennoch liegt in diesen Beschreibungen die Möglichkeit, etwas vages und subjektives in treffende Worte zu fassen, und so anderen zu vermitteln.

Die unverhofften Äußerungen können aber auch Konfliktpotential bergen.

Nicht jeder Winzer wird mit dem Urteil der Verkoster vollkommen einverstanden sein. Und nicht jeder Koch begreift, was ihm der Gast mit den seltsamen Worten sagen will. Als ich einmal von der überraschenden Erdigkeit eines Fleischgerichtes sprach, bekam ich vom erbosten Koch wiederholt versichert, da sei keinerlei Erde enthalten, alles Gemüse sei äusserst gut geputzt worden. Da war sie wieder, die Kluft. Der Koch konnte beruhigt werden, aber ich blieb eigenartig enttäuscht zurück: es ist traurig, sich unverstanden zu fühlen. Und genau dieses Phänomen kennen alle Hochbegabten und Hochsensiblen, die mir je begegnet sind: Besondere Sensibilität und/oder Originalität bleibt, selbst gepaart mit verbaler Begabung, oft unverstanden.

Umso kostbarer sind diejenigen Menschen in unserem Leben, die uns verstehen.

Die Freunde, die immer wieder angenehm verblüfft sind über Deine originellen Kommentare. Die Familie, die Deinen Humor überraschend und erfrischend findet. Die Schreibgruppe, die sich immer auf Deine Texte freut. Die Freundin, die Deine Sätze beenden kann, und zwar mit genau den Worten, die Du selbst auch benutzt hättest.

Diese Menschen sind unser Schutzmantel in einer Welt, der wir oft fremd sind. Lasst sie uns achten und lieben, diese Freundschaften pflegen, und ihnen häufiger Blumen schenken!
Einfach so, weil sie uns verstehen.

Herzlichst, wo immer Du bist,

Unterschrift Johanna (c) Johanna Ringe 2014 ff. www.dein-buntes-leben.deP.S.: Erzählst Du uns unten von Deinen bemerkenswertesten Erlebnissen zu diesem Thema? Das wäre großartig!

P.P.S.: Es interessiert mich nun doch ob Du diese Dim Sum vielleicht auch flauschig findest…?!

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2 Kommentare zu “Das Konfliktpotential „flauschigen“ Essens

  1. Liebe Johanna,
    danke für deinen tollen Betrag!
    Ich kenne dieses Gericht und finde Dim Sums fluffig.
    Liebe Grüße :)

    • Ja, Stephanie, auch fluffig… aber manche eben auch flauschig… ist nicht so einfach zu beschreiben, schmeckt aber lecker! ;-)

Kommentare sind geschlossen.