Wir sagen gerne von kleinen Kindern, dass sie Sonnenscheine sind. Dann gibt es auch noch diese Erwachsenen, die oft strahlen, und andere damit anstecken. „Sie/Er ist ein richtiger Sonnenschein!“ Das hört man immer wieder. Dahinter stecken oft hochsensible Menschen, die so sehr auf ihre Mitmenschen eingeschwungen sind, dass es ihnen leicht fällt deren Stimmung zu heben. Oft fällt ihnen das sogar leichter, als ihre eigene Stimmung zu regulieren.
Hochsensible nehmen ihre Umgebung manchmal deutlicher und oft lauter wahr als ihr eigenes Innenleben.
Außerdem sind sie in gewisser Weise abhängig von ihrer Umgebung, sie bekommen ja auch die negativen Gefühle der anderen intensiv mit. Es ist also durchaus in ihrem eigenen Interesse, die anderen aufzuheitern. Weil das aber immer Kraft kostet, und viel zu häufig dazu führt, dass sie über ihre eigenen Bedürfnisse hinweggehen, müssen Hochsensible sich diesen Prozess klarmachen. Die Grenzen der eigenen Zuständigkeiten zu erkennen ist überlebenswichtig.
Es ist kein Problem, der Sonnenschein der Familie zu sein.
Es ist erst ein Problem, wenn der Sonnenschein sich um die eigenen Bedürfnisse nicht genug kümmert oder glaubt, für das Wohlergehen der anderen verantwortlich zu sein. Jeder ist nur für sein eigenes Wohlergehen verantwortlich. (Ausnahmen wie Wickelkinder oder auf Betreuung angewiesene Menschen selbstverständlich ausgenommen.) Und Hochsensible können sehr viel mehr aushalten, als andere oder manchmal auch sie selbst für möglich halten. Es zu ertragen, wenn die Kollegin enttäuscht ist, der Vater gekränkt, kann man und muss man lernen.
Es ist nicht menschenmöglich durchs Leben zu gehen, ohne jemand anderen zu ärgern, vor den Kopf zu stoßen, oder zu enttäuschen.
Für hochsensible Menschen, und in unserer Gesellschaft leider besonders für die weiblichen, ist es oft der einfachere Weg, es allen recht zu machen. Aber irgendwann kommt jeder an den Punkt, an dem er Position beziehen muss.
- Das kann der Moment sein, wo die eigene Kraft nicht mehr reicht und der drohende Burnout Dich zwingt für Dich selbst einzustehen und einmal „Nein!“ zu sagen.
- Das kann der Moment sein, in dem Du wiederholt am Freitag von derselben Kollegin eine unfassbare Menge zusätzliche Aufgaben aufgebürdet bekommst, weil Du doch „immer so nett bist ihr zu helfen, und sie noch was vorhat“ – an einem Tag, an dem Du selbst etwas sehr Wichtiges vorhast.
- Das kann der Moment sein, an dem Du Deinen Traumberuf zu ergreifen beschliesst, obwohl Du weißt, dass Dein Vater sich so sehr etwas anderes gewünscht hätte.
- Das kann der Moment sein, an dem Du alleine in Urlaub fahren musst, um eine Beziehung zu retten. Um Dich zu retten.
Lieber Sonnenschein, strahle doch mal für Dich selbst!
Du musst vielleicht nicht gleich einen großen Eklat hervorrufen, den Job kündigen oder mit dem Milchmann durchbrennen – vielleicht musst Du einfach nur mal Deiner Tochter den Einkaufszettel in die Hand drücken, Dir einen Tee kochen und ein gutes Buch lesen. Vielleicht musst Du einfach mal jemand anderen das große Fest organisieren lassen. Vielleicht musst Du auch einfach nur jetzt gerade alles stehen und liegen lassen, den Computer ausschalten, und Spazierengehen. Auf!
Herzlichst, wo immer Du gerade bist,
P.S.: Falls es Dir schwer fällt, um Hilfe zu bitten, lies hier weiter!
P.P.S.: Du kannst auch hier alle Artikel zum Thema Selbstliebe finden – immer sinnvoll, sich damit zu beschäftigen, gerade als Sonnenschein!
Oh, Johanna!
Da hast du mir wieder einmal aus der Seele geschrieben – oder, aktuell und persönlich: aus der Haut! Es muss nicht gleich der Burn-out kommen – es kann das Aus- der-Haut-Fahren sein, wegen Überlastung oder Zumutungen, gegen die man sich nicht genügend abgrenzt – oder ein zusätzliches mich-Abgrenzen mit „dickerer Haut“, wie durch Ekzem, Pilz, Herpes – wenn ich mal wieder nicht rechtzeitig bemerke, dass ich alle Rat- und Hilfe-Suchenden sozusagen unter meinen Schutzmantel eigene Haut genommen habe…
Und da spüre ich sie ja besonders intensiv…
Aber ich lerne: wenn meine Haut es mir dann so deutlich zeigt, gehe ich in mich, und es genügt schon, für mich selbst zu beschließen, eine unsichtbare Wand zu errichten und nur die nötige Hilfe und Fürsorge zu leisten, nicht schon mit vorauseilenden Hilfs-Angeboten präsent zu sein – und das Wunder geschieht: tagelang kein Anruf mit Mitteilungen über das eigene Befinden, die eigene Bedürftigkeit meiner Schützlinge – und meine Haut macht sichtbare Heilungsschritte!
Die anderen spüren diese unsichtbare Wand und respektieren meine Zeit und Kraft ohne ausgesprochene Abgrenzung meinerseits… Sogar die Sprechstunde macht ein paar Tage unangekündigt Ferien…
Und ich hoffe indes, das Erlernte weiterhin gut zu pflegen und anzuwenden!
Ich freue mich auf deine nächsten Beiträge, liebe Johanna! Hab immer Dank für deine Worte.
Herzlich, Friederike
Liebe Friederike,
ja, ein gutes Beispiel!
In dem Moment, wo wir die deutliche Absicht haben, Grenzen zu ziehen, dann werden diese Grenzen spürbar. Oft ganz mühelos, und ohne die gefürchteten Konfrontationen oder Proteste.
Diese Absichtserklärung (uns selbst oder dem Universum an sich gegenüber) ist ein großer Schritt,
ich freue mich, dass Dir das gelingt! Geniesse die Erholung, und sei stolz auf Dich.
Ganz herzlich, wie immer,
Johanna