Die Rosenbüsche in unserem Garten explodieren geradezu: übersät mit Blüten in allen Stadien von der Knospe bis zur Halbverwehten. Das Leben feiert sich selbst im Rausch der Blüten, Bienen füllen die Luft mit feinem Summen, ab und an taumelt eine Hummel vorbei. Die Vögel werden immer fetter und fauler, und nur der gelegentliche Wolkenbruch stört das Idyll. Es gibt nur eine angemessene Beschreibung:
Fülle, überbordende verschwenderische Fülle!
Mit dem Wetter kommt die Sommerträgheit, schwer drückt der Himmel und schwer liegen die Glieder…dann die Erlösung im Gewitter. Trotz des Lichtmangels empfinde ich die Sommerfülle als Inspiration: wenn die Rosenbüsche mit Verschwendung prunken können, und die einzelne Blüte nicht perfekt sein muss, um ihren Platz in diesem großen Bild zu halten, dann kann ich selbst auch entspannter fließen lassen.
Unter all den Dingen, die wir beginnen, werden auch Kunstwerke sein.
Die Gleichung ist einfach (und Du musst nicht mal die Schreibmaschine schreibenden Affen bemühen): je mehr Du überhaupt tust, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas wirklich Gutes dabei sein wird. Unser Perfektionismus lähmt uns viel zu oft: aus der Idee heraus, dass wir die Perfektion gar nicht erreichen können, egal wie sehr wir uns bemühen, legen wir die Hände in den Schoß und tun letztendlich gar nichts. Wie schrecklich!
Denn wenn Du nichts tust, dann tust Du zwar nichts Falsches, aber eben auch ganz sicher nichts Richtiges oder Hervorragendes.
Julia Cameron hat in ihrem rückhaltlos empfehlenswerten Buch „Der Weg des Künstlers“ den Gedanken ausgebreitet, dass es unsere alltägliche, menschliche Aufgabe ist, einfach drauf los zu schreiben/ zu malen/ zu entwickeln / zu erfinden… der göttliche Funke käme dann schon irgendwann dazu. Viele andere Schriftsteller betonen, wie wichtig schlechte Erstentwürfe für den Gesamtprozess sind. Nun, als eine Frau, die bereits in der Schulzeit Aufsatzentwürfe und Gliederungen gar nicht (oder im Nachhinein) verfasst hat, bin ich mir da nicht so sicher. Aber fest steht:
- Wer nicht schreibt kriegt nicht den Literaturnobelpreis.
- Wer nicht spricht wird nie für seine Rhetorik gelobt.
- Wer nicht malt, dessen Bilder werden niemals ausgestellt.
- Wer nicht fragt bekommt keine Antworten.
Mit Passivität vermeiden wir natürlich auch die schlechten Kritiken, Verrisse, dummen Antworten und Angriffe. Das gaukelt uns Sicherheit vor, Unangreifbarkeit. Aber diese Sicherheit ist ein goldener Käfig dessen Tür sperrangelweit offen steht…
Irgendwann kommt auch für Dich der Tag, an dem Du merkst, dass das Lassen Dich mehr kostet als das Tun.
Anais Nin hat das so formuliert: „Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren, schmerzlicher wurde als das Risiko, zu blühen.“ Wenn ich mir meine Rosenbüsche so anschaue, dann ist dieser Tag schon vor einiger Zeit dagewesen.
Also wollen wir es den Rosen gleichtun und uns in verschwenderischer Fülle üben… bist Du dabei?
Herzlichst, wo immer Du gerade bist,
P.S.: Verrätst Du uns welche Farben und Formen Deine Blüten haben?
P.P.S.: Das Erblühen einer Knospe geschieht übrigens immer zum richtigen Zeitpunkt…!
Johanna, das ist wunderbar geschrieben! Zumal ich Rosen liebe! Bei uns blühen sie gerade erst auf, und ich hoffe immer, dass der gerade sehr kräftige Hamburger Wind sie nicht zu sehr zerrupft.