Ab und zu werde ich gefragt, ob ich denn getestet hochbegabt sei. Das passiert wirklich selten, und meistens sind die Fragenden dann eher neugierig auf ihre eigene Begabung. Es interessiert also nicht so sehr mein Abschneiden im IQ-Test, als vielmehr der Test an sich. So geht mir das mit Kollegen mit diesem Thema auch: wir wollen uns über Erfahrungen austauschen, nicht über ohnehin fragwürdige Zahlen. Denn das Thema „Intelligenztest“ ist umstritten und umwölkt von Vorurteilen, Zweifeln und Vermutungen.*
Kann man Intelligenz überhaupt testen?
Gute Frage. Natürlich gibt es Tests im Internet, bei denen man sich mehr oder weniger spielerisch mit Knobelaufgaben befasst. Es tut gut, sich mit dem Thema zu befassen, sich heranzutasten, und dabei immer im Hinterkopf zu behalten, dass es bei diesen sogenannten IQ-Tests im Netz oder Zeitschriften eher um Spielereien geht. Aber wirklich ergebnisorientiert ist eine Testung bei der Hochbegabtenvereinigung MENSA (bzw. MinD – MENSA in Deutschland) oder eben bei einer darauf spezialisierten Psychologin oder einem ebensolchen Psychologen.
Angemessener als „IQ-Test“ ist hier die Bezeichnung „Begabungsdiagnostik“
Zumindest bei der ausführlichen Variante bei einer Psychologin oder einem Psychologen. Die Gruppentestungen bei MENSA sind aufgrund der Gruppensituation für viele Hochsensible nicht perfekt geeignet, da wird das Ergebnis stressbedingt vermutlich nach unten verfälscht. (Aus diesem Grund habe ich bisher auch keinen solchen Gruppentest gemacht, obwohl ich einen sympathischen MENSA Testleiter kenne…)
In beiden Fällen wird getestet, wie schnell und wie präzise man Aufgaben aus verschiedenen Bereichen lösen kann, es wird also Deine Begabung für die Aufnahme und Verarbeitung bestimmter Informationen angeschaut. (Genaueres werde ich hier nicht verraten, das wäre kontraproduktiv ;-) )
Generell ergeben Testungen immer Mindestwerte, je nach Tagesform kann das Ergebnis variieren
Um so mehr lege ich Dir bei Interesse eine seriöse Begabungsdiagnostik beim Psychologen ans Herz: da wird je nach Situation und Tagesform auch schon mal eine Sitzung vertagt wegen Kopfweh, Stress oder großer Ablenkung. In manchen Fällen hast Du ein Gegenüber, das sich auch mit Hochsensibilität auskennt, und darauf Rücksicht nehmen wird. Die Psychologin ist auf Deiner Seite, achtet auf Deine Konzentration, man kann an geeigneter Stelle Toilettenpausen machen oder einen Schluck Wasser trinken. Du bekommst am Ende auch nicht nur eine Zahl, den sogenannten Intelligenzquotienten, sondern ein genaues Begabungsprofil mit dem Prozentrang, und einen schriftlichen Bericht.
Im Alltag ist Dein Begabungsprofil mit Besonderheiten und Stärken relevanter als Dein IQ
Gerade wer sich beruflich umorientieren möchte, oder gerade erstmals für einen Beruf entscheiden soll, profitiert von der genauen Betrachtung seiner verschiedenen Begabungen. Die Psychologin kann und wird in ihre Beratung auch noch ihren Gesamteindruck einfliessen lassen, und gegebenenfalls auch noch Neigungen berücksichtigen. Im Gespräch kann manches klarer werden, und Du kannst genau nachfragen, wie sich denn eine beispielsweise räumlich-visuelle Begabung im Alltag äußert. In der Regel sind uns unsere Stärken so selbstverständlich, dass wir uns nicht für aussergewöhnlich begabt halten. Wir kennen die Welt ja nur aus unserer eigenen subjektiven Perspektive heraus.
Es tut gut, sich im objektiven geschulten Blick der Psychologin zu spiegeln.
Falls Du von Fällen gehört haben solltest, wo eine Begabungsdiagnose jemanden erst einmal in eine persönliche Krise gebracht hat – ja, das kann passieren, natürlich. Je verwackelter das bisherige Selbstbild war, umso größer ist nun die Diskrepanz. Dazu möchte ich ganz klar – aus eigener Erfahrung – sagen: es ist Gold wert, in dem Moment eine erfahrene Fachperson an der Seite zu haben.
Die größere Geldsumme, die eine ausführliche Testung mit mehreren Terminen kostet, ist eine sinnvolle Investition in Deine Persönlichkeitsentwicklung.
Egal wie Dein Weg aussieht, ob Du nun schon lange vermutest, dass Du hochbegabt bist, oder ob der Gedanke gerade erst keimt, du sollst wissen, dass es da Menschen gibt, die Dir Klarheit verschaffen können. Und Dich begleiten. Zum Auf- und Umräumen Deines Lebens nach der Testung stehen meine Kollegen und ich Dir dann gern zur Seite, falls Du Dir Unterstützung wünschst. Solltest Du auf eine Testung verzichten, aus welchen Gründen auch immer, sind wir natürlich trotzdem für Dich da!
Denn der geschulte Blick von Fachleuten kann Hochbegabung erkennen – ohne genaue Zahl, ohne genaues Begabungsprofil, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.
Ob die Zahl nun 128 oder 134 oder 147 lautet, das ist im täglichen Leben, in der Schule, im Alltag, im Büro nicht wirklich relevant. Man betrachtet ohnehin lieber den Prozentrang, vor allem bei Anwendung unterschiedlicher Tests kann man nur vergleichen: PR 98 = höchstens 2% der Bevölkerung können die Aufgabe besser lösen, der Betreffende ist der intelligenteste unter 50 Menschen. Oder PR 99,9 = nur 0,1% können besser sein. Dieser Mensch ist also unter 1000 Menschen der intelligenteste. Die IQ Zahlen hingegen variieren je nach Testnormierung, daher sind z.B. amerikanische IQ Zahlen oft viel höher.
Dass Du aber Strategien entwickelst, wie Du, mit Deiner einzigartigen Persönlichkeit ein erfülltes Leben führen kannst – das ist wichtig!
Dass Du Frieden mit Deinen Schwächen schliesst und Deinen Stärken zur Geltung verhilfst, das ist wichtig!
Dass Du begreifst, dass die Probleme mit den anderen in der Regel Kommunikationsprobleme aufgrund eurer Unterschiede sind, nicht aufgrund einer vermuteten Unzulänglichkeit Deinerseits, das ist wichtig!
Es ist wichtig, Dich selbst anzuerkennen, und Deiner Persönlichkeit entsprechend zu leben – nicht unbedingt den Erwartungshaltungen der Umwelt entsprechend.
Davon profitieren alle: Du bist glücklicher, und bringst an der richtigen Stelle dein Bestes ein, für alle. Manchmal ist der Weg dahin holprig, klar, aber dabei kann die Beschäftigung mit Deinen Begabungen sehr helfen. In manchen Fällen, vor allem bei an sich selbst zweifelnden Müttern offensichtlich hochbegabter Kinder, kann der Test beim Psychologen der letzte Schubs sein, den es braucht um eine aussergewöhnliche Begabung endlich zu leben.
Und dann? Na, dann kann es richtig losgehen!
Herzlichst, wo immer Du gerade bist,
* dazu schau gerne in der Wikipedia unter „Intelligenztest“ nach.
P.S.: Sich klar zu machen, dass eine weit überdurchschnittliche mathematische Begabung zu ebenso hohen Intelligenzquotienten führen kann wie eine weit überdurchschnittliche verbale Begabung – das relativiert diese Zahl gleich sehr. Nicht alle Menschen mit einem IQ von 137 sind gleich, unter Umständen nicht einmal ähnlich…!
Liebe Johanna, wieder mal ein guter Artikel von dir, obwohl es schon Unterschiede zwischen IQs von 128 und zB 147 gibt (und ich meine nicht die Zahl ;-) ), sondern eher in der Verarbeitungsgeschwindigkeit und damit u.a. der Wahrnehmung. Und … das Bild finde ich dieses Mal nicht so passend, den Schädel eher gruselig-
Liebe Grüße
Susanne
Liebe Susanne,
dankeschön für das Lob!
Natürlich gibt es starke Unterschiede zwischen IQ 130 und IQ 147!
Aber es geht mir als Coach darum, dass die Menschen sich weniger über diese Zahl definieren, als vielmehr ihre individuellen Begabungen und Bedürfnisse entdecken und denen entsprechenden Raum in ihrem Alltag einräumen.
Dass sie achtsam mit sich selbst umgehen. Unabhängig vom IQ. Alle.
Herzlichst,
Johanna