Hochbegabung

Mythos Hochbegabung

Menschen sind bunt

Vor einigen Tagen resümierte Prof. Detlef Rost, Gründer und Leiter der begabungsdiagnostischen Beratungsstelle „Brain“ an der Philipps-Universität Marburg: „Hochbegabte Kinder sind eigentlich Kinder wie andere auch.“ und betonte, zu den Hauptaufgaben seiner Einrichtung gehöre es, „Mythen zu killen“.*

Das kann ich nur bestätigen: Aufklärung ist notwendig, um endlich eine unverkrampfte Haltung zum Phänomen der Hochbegabung zu erlangen. Bei zu vielen Menschen in Deutschland klingen im Wort „Hochbegabung“ gleich Elitebildung, Wertung, „Übermenschen“ oder Anderes an. Dabei ist es ein Begriff, ein Wort, um eine Eigenschaft von Menschen zu beschreiben – nicht mehr.

Was ist denn der Mythos Hochbegabung?

Wer sich mit dem Thema beschäftigt, stellt bald fest, dass es nicht um eine Wertung, sondern um das Erkennen von speziellen Gaben und auch Schwächen geht. Jeder Mensch ist anders, manche haben blaue Augen, andere braune, manche sind 210cm groß, andere 154cm – keiner von beiden käme auf die Idee, dem andern seine Augenfarbe oder Körpergröße vorzuwerfen. Auch wenn jemand ein blaues und ein braunes Auge hat, oder ein kürzeres und ein längeres Bein, so wirft es ihm hier und heute niemand vor, auch wenn mancher dabei durchaus Irritation verspürt. Genauso ist es mit allen Begabungen. Sie sind einfach. Punkt. Dass jemand unfassbar schnell rechnen oder unglaublich schnell rennen kann, anders gesagt: dass jemand über eine sehr hohe logisch-mathematische oder kinetische Intelligenz verfügt, ist ihm nicht vorzuwerfen.

Hochbegabung ist kein Mythos, sondern eine Eigenschaft

Es ist einfach eine Tatsache, aus der dieser Mensch und seine Umgebung das beste machen könnten. In einem toleranten und menschenfreundlichen gesellschaftlichen Klima kann das gelingen, auch wenn zu der hohen Begabung bei manchem auch Herausforderungen in anderen Bereichen gehören, beispielsweise im sozialen Umgang oder der Wahrnehmung.

Spannend und bereichernd ist in meinen Augen der Umgang mit allen Menschen, ganz unabhängig vom IQ oder irgendeiner Kategorisierung oder Schublade…. gerade weil sie so vollkommen unterschiedlich sind! Wenn es also Hilfsmittel wie Klappleitern gibt, um kürzeren Menschen den Zugang zu den oberen Regalbrettern zu erleichtern, und Hilfsangebote für Legastheniker oder Fremdsprachler… wieso sollte es dann keine Hilfsangebote für Menschen geben, die Schwierigkeiten aufgrund ihrer Hochsensibilität oder Hochbegabung haben?

Wer hier Überheblichkeit wittert braucht mehr Informationen

Diese Informationen stellen viele Autoren zur Verfügung, einfach beim Buchhandel oder der Suchmaschine deiner Wahl anfragen, eine kleine Auswahl hier. Bei diversen Verbänden wie der Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind oder auch bei der OpenMind Akademie http://open-mind-akademie.de/hochbegabung/ bekommt man einen Einblick in die Thematik, mal mehr auf Kinder, mal mehr auf spätbewusste Erwachsene bezogen. Jede/r wird, so er/sie möchte, sicher die Informationen finden, die den Mythos zerstören, und damit wieder eine Hemmschwelle im Umgang mit anderen Menschen abbauen können. Und dabei vielleicht sogar sich selbst in neuem Licht sehen. In manchen Fällen ist es die Angst, der eigenen Hochbegabung ins Auge zu sehen (und sich selbst so unter Umständen den Anfeindungen anderer auszusetzen) die das Unbehagen auslöst wenn das Wort benutzt wird. Man bedenke, dass Angst oft das Ergebnis von fälschlicherweise für korrekt gehaltenen Annahmen ist.

Ein neutraler Begriff wäre wünschenswert, eingebürgert hat sich „Hochbegabung“

Wer eine neue Bezeichnung einführen kann, die weniger belastet klingt, und unverkrampfteren Umgang mit dem Thema möglich macht, bitte gerne! Viele werden dankbar sein: Lehrer, Psychologen, Eltern und nicht zuletzt die Hochbegabten selbst, die immer wieder unter den Missverständnissen leiden und sich genau deshalb lieber verstecken und selbst ausbremsen. „Nur nicht auffallen, sonst gibts wieder was auf’s Dach!“ – genau dieses Verhalten möchte ich durch Selbstbewusstsein ersetzt sehen. Denn wenn jeder, egal wie begabt, seine Befähigungen und Gaben auslebt, dann bringt das die Firma, die Gesellschaft, die Menschheit weiter.
Und dafür danke ich jedem Menschen, der meinen Weg kreuzt, ob persönlich, oder virtuell: daß er lebt, was er ist.
Herzlichen Gruß,

Johanna Ringe

* Den ganzen Artikel über die begabungsdiagnostische Beratungsstelle „Brain“ an der Philipps-Universität Marburg findet man unter: http://www.fr-online.de/wissenschaft/hochbegabte-intelligenz-ist-kein-risikofaktor,1472788,27697398.html